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Wenn sich Politik Zugriff auf unsere Kommunikation wünscht

Immer wieder stößt man auf Berichte, dass entweder deutsche Politiker (hier meist aus CDU oder CSU Kreisen kommend) oder europäische Politiker sich für Vorhaben einsetzen, Einblicke in die Kommunikation der Bürger zu bekommen. Das stellt meines Erachtens ein ziemlich großes Problem dar, denn mit solchen Vorhaben und Plänen werden unsere Grundpfeiler der Demokratie gezielt angegangen.

Manch einer kennt vielleicht das Gedankenspiel: wie wäre unsere Geschichte verlaufen, wenn einst die Nazis die technischen Mittel zur Überwachung der Menschen gehabt hätten, die wir heute besitzen? Vermutlich würde (das politische) Deutschland heute komplett anders aussehen, als wir es jetzt kennen. Einen Vorgeschmack hat immerhin die Stasi in der DDR präsentiert: dort konnte man nie sicher sein, ob der eigene Ehepartner oder die Ehepartnerin oder die eigenen Kinder einen überwachen und privateste Dinge an die Staatssicherheit weitergeben.

Aufgrund dieser Erfahrungen hat man in unserer Verfassung damals nach der Wiedervereinigung die Privatsphäre entsprechend gut geschützt, die nur unter sehr strengen Auflagen – wenn überhaupt und auch dann nur zeitlich begrenzt – aufgehoben werden dürfen. Es hat also einen guten Grund, warum Eingriffe in unsere Privatsphäre so schwer sind. Und doch wurden diese Schutzfunktionen in den letzten Jahren von der Politik immer wieder angegangen – leider nicht immer zum positiven. Bei der Argumentation kann man feststellen, dass hier immer wieder mit der Angst der Menschen gespielt wird – beispielsweise direkt nach dem Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz. Interessanterweise wurde diese Forderung gewisser Politiker zu einem Zeitpunkt laut, als die Ermittlungen der Polizeibehördern noch in den Anfangsschuhen steckten. Bis sich hinterher herausstellte, dass der Täter den Behörden in verschiedenen Bundesländern schon seit langem bekannt war. Doch anstatt die Behörden dahingehend zu reformieren, dass die interne Kommunikation und das Zusammenarbeiten besser funktioniert, werden solche Fälle immer wieder dazu benutzt, für mehr Überwachungsbefugnisse zu werben und diese umzusetzen und dabei aber eine große Mehrheit – nämlich die restliche Gesellschaft – unter Generalverdacht zu stellen.

Nach dem 11. September hatte die USA ihre Überwachungsprogramme exzessiv ausgeweitet und führten zu dem, was Jahre später der Whistleblower Edward Snowden enthüllen würde. Das Problem ist, dass in solchen Debatten eine Sicherheit suggeriert wird, die so nicht existiert und auch nicht existieren kann. Es gibt keinen hundertprozentigen Schutz vor Terroranschlägen, selbst wenn man alle Menschen dieser Welt auf Schritt und Tritt beobachten würde, könnte man es nicht verhindern. Stattdessen nutzt man bei der massenhaften Überwachung Lücken in Systemen aus, die gezielt offen gehalten und nicht dem Hersteller mitgeteilt werden und macht somit alle angreifbarer. Denn diese Lücken können natürlich nicht nur von Regierungen und ihren Geheimdiensten ausgenutzt werden, sondern auch von kriminellen. Davon abgesehen wecken diese Lücken und die Möglichkeiten die sie bieten auch gewisse Begehrlichkeiten. Wenn ich Zugriff auf eine Information habe, dann könnte ich ja auch Zugriff auf andere Informationen bekommen, die mir eventuell irgendwann einmal von Vorteil sein könnten.

Diese Denkweise zeugt von einem Demokratie-Verständnis, das mit Demokratie nur noch sehr wenig zu tun hat. Denn der Staat muss nicht alles über seine Bürger wissen und er soll auch nicht alles über sie wissen – aus Gründen, die wir oben schon thematisiert haben. Wenn wir eine freie Gesellschaft sein wollen, müssen wir mit einem gewissen Risiko leben, dass Dinge passieren, die wir nicht möchten. Das ganze Leben ist ein Risiko – die Frage ist letztlich, wie wir damit umgehen. Verfallen wir in Panik und wollen alles bis ins kleinste Detail kontrollieren? Oder gehen wir souverän mit dem Risiko um und sorgen durch präventiv-Arbeit dafür, das Risiko weitestgehend zu minimieren, dass schlimme Dinge geschehen? Das sind letztlich die Fragen, mit denen wir uns in der Politik wie auch in der Gesellschaft beschäftigen müssen, anstatt die Sicherheit und Privatsphäre aller zu gefährden. Wer Sicherheit und Datenschutz/Privatsphäre abwägt, wird am Ende beides verlieren!

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